Über die Weisheit im Nichts
Was weiß ich schon über die Dinge dieser Welt.
Ich kenne ihren Gesang, ihre Klagen, das Hoch-
gefühl, wenn alles zur Einheit wird.
Aber was weiß ich schon von der Welt, die sich
beschränkt auf das Denken der Menschen und
sich ansonsten in eine andere Richtung dreht.
Versagt Gott etwa dort, wo Naturkatastrophen
ihnen Heimat und Leben stiehlt?
Versagt Gott, wenn Antisemitismus geschieht?
Wer überhaupt macht sich ein Bild von ihm,
wenn Heiligkeit der Menschen Hoffnung ist?
Sie stirbt zuletzt, so sagt man, aber kaum jemand
hält sich daran.
Das ist lächerlich.
Über die Weisheit kann ich sagen, dass ich nicht
weise bin.
Ich musste viel ertragen, aber ist das nicht der
ganze Sinn?
Wo keine Dunkelheit herrscht, da kann es keine
Sonne geben; wo keine Menschen sind, dort
gibt es keinen Untergang.
Über die Weisheit kann ich sagen, dass ich mal
einen Engel kennengelernt habe, welcher un-
erkannt bleiben wollte. Ich sah ihn erst,
als ich gesundet und er schon längst fort war.
Das ist die Weisheit, die ich meine: Wir
Menschen brauchen unseren Ort in der Welt,
der die Kriege und Eitelkeiten zur Beiläufigkeit
erklärt.
Das ist mein Gottverständnis. Und ich sehe
ihn jeden Tag.
Erst seit kurzem weiß ich, dass allein die Wahrheit
zählt. Nur dort finden wir den Gehalt des Lebens,
das uns überhaupt erst zu Wesen macht.
Nur die Kreaturen bleiben einsam, denn sie glauben
an das große Nichts, jedoch:
„ES gibt kein Nichts; denn erst im Nichts offenbart sich das Sein“ Martin Heidegger